Ein Welpe zieht ein. Und damit beginnt eine aufregende neue Lebensphase! Doch mit all der Freude kommen meist auch viele neue Fragen auf. Antworten darauf gibt es viele. Doch worauf kommt es wirklich an?
In den folgenden Zeilen nehme ich dich mit durch die ersten Wochen mit deinem Welpen und zeige dir, worauf ich besonderen Wert lege.
1. Bindung
Eine stabile und sichere Mensch-Hund-Bindung stärkt das Vertrauen deines Hundes in sich selbst und in die Welt und legt so den Grundstein für ein harmonisches Miteinander und ein erfolgreiches Lernen.
Ist dieses Fundament erstmal gelegt, könnt ihr auch herausfordernden Phasen mit mehr Gelassenheit begegnen.
Denn in erster Linie brauchen unsere Hunde Menschen, auf die sie sich verlassen können und die ihnen Sicherheit und Orientierung in unserer Menschenwelt bieten. Dazu gehört, dass du deinem Hund Schutz gibst, wenn er diesen benötigt. Um das zu tun, ist es wichtig, sich mit der Körpersprache deines Hundes auseinanderzusetzen – denn sie verrät dir viel über sein Befinden und seine Absichten. Vielleicht hältst du das hündische Gegenüber für einen ausgezeichneten Spielpartner. Wenn dein Welpe jedoch etwas anderes signalisiert, gib ihm den Schutz, den er braucht. Manchmal ist es nur ein kleiner Moment, in dem er deinen Beistand benötigt. Schaffe ihm einen Raum, von dem aus er den anderen Hund beobachten und aus sicherer Entfernung kennenlernen kann. Vielleicht traut er sich anschließend, vielleicht sagt er auch ganz entschieden nein. Und das ist in Ordnung. Denn in diesem Moment habt ihr beide viel mehr gelernt als durch jede erzwungene Spielbegegnung.
Auch die Verlässlichkeit durch wiederkehrende Strukturen und Rituale gibt deinem Hund eine Erwartungssicherheit und stärkt das unsichtbare Band zwischen euch. Wie sieht euer Alltag aus und welche Rituale und Strukturen können deinem Hund zusätzliche Orientierung bieten? Dazu gehören übrigens auch fair gesetzte Grenzen.
Und: Unsere Hunde brauchen Menschen, mit denen das Leben Spaß macht. Auf tapsigen Pfoten und mit all seinen Flausen im Kopf erinnern sie uns Menschen daran, dass man auch im größten Durcheinander seinen Humor nicht verlieren sollte. Trau dich, mal wieder albern zu sein, spielt zusammen, kuschelt und genießt, dass ihr von nun an gemeinsam durchs Leben geht. Spielen schafft Vertrautheit und Freude fördert nicht nur die Bindung, sondern auch das Lernen.
2. Kleine Persönlichkeiten
Gib dir und deinem Welpen die Zeit, euch jenseits von Erwartungen kennenzulernen. Denn es ist eine neue Persönlichkeit eingezogen.
So manchen Plan wird man anpassen müssen. Denn dass Hunde individuelle Charaktere und Persönlichkeiten sind, ist auch wissenschaftlich längst belegt. Und so macht auch der Vergleich mit anderen Mensch-Hund-Teams wenig Sinn. Hundetraining ist kein Wettbewerb, bei dem es darum geht, der Schnellste, Schönste oder Beste zu sein. Dein Hund ist ganz einfach der, der er ist. Nimm dir Zeit, ihn mit seinem einzigartigen Charakter kennenzulernen. Stelle dich auf das ein, was er ist, anstatt an dem festzuhalten, was du dir vorgestellt hattest.
Du brauchst keine Begegnung auf dem Hundeplatz zu scheuen, nur weil andere vielleicht etwas schneller ins Sitz plumpsen, weniger wuseln oder mit mehr Elan an Übungen teilnehmen. Die Dinge, auf die es wirklich ankommt, finden jenseits von Fuß und Platz statt – nämlich dort, wo es um eure Beziehung zueinander geht. Also lass deine Erwartungen los und empfange deinen Hund mit offenen Armen – so wie er ist – um dann gemeinsam einen Weg zu finden, bestmöglich zusammenzuwachsen.
Was denkst du, welche Erwartungen hat dein Hund vielleicht an dich?
3. Die Sozialisierungsphase: Prinzipien für ein entspanntes Miteinander
Die Sozialisierungsphase deines Hundes findet sich je nach Rasse von der 4. – 16. Lebenswoche.
Dein Hund lernt in dieser Zeit besonders intensiv, wie man sich im sozialen Miteinander verhält, wie man mit anderen umgeht und wie unterschiedlich Lebewesen in all ihren Formen, Farben und Bewegungen sein können. Das Ziel ist ein selbstbewusster sozialer Umgang mit unterschiedlichen Lebewesen, Situationen sowie eine stabile Bindungsfähigkeit.
Es ist sinnvoll, deinem Welpen in dieser Phase all das zu zeigen, was in eurem Leben von besonderer Bedeutung ist. Wichtig dabei ist, diese Erfahrungen in ihrer Dauer auf ein angemessenes Maß zu dosieren und stets für sichere Bedingungen zu sorgen.
Unsere Menschenwelt steckt voller Vielfalt, sodass es für unseren Welpen viel zu entdecken gibt. Es gibt große und kleine Menschen, Junge und Alte. Menschen können Rad fahren oder joggen, hüpfen oder rollen. Einige tragen einen Regenschirm, andere einen Hut. Und selbst die Hautfarbe, die Frisur oder der Bart und die Brille können für unsere Hunde wesentliche Eigenschaften darstellen.
Auch die Kommunikation mit Artgenossen und das Verständnis der Körpersprache ist keine angeborene Eigenschaft, sondern muss erlernt werden. Zumal die Besonderheiten der unterschiedlichen Rassen beeinflussen, wie ihre Körpersprache aussieht. So sind auch hier vielfältige Erfahrungen hilfreich, um auch Artgenossen anderer Rassen gut zu verstehen.
Wichtig: Es handelt sich nicht um einen „Sozialisierungsmarathon“. Dein Hund muss nicht alles kennenlernen, was ihm im Laufe seines Lebens begegnen wird. Vielmehr geht es darum, ein grundlegendes Prinzip zu erlernen: Hunde und Menschen können unterschiedlich aussehen. Zudem sollte er lernen, wie man mit Unsicherheiten und neuen Situationen umgeht: nämlich, sich auf euch als Team zu verlassen und sich an dir zu orientieren – denn hier ist sein sicherer Hafen. Daher ist es entscheidend, dass die Erfahrungen, die er macht, stressfrei und in einem ruhigen Umfeld stattfinden. Diese Erfahrungen sollten so vielfältig sein, dass er in der Lage ist, sie zu verallgemeinern und so sicherer im Umgang mit der Welt um ihn herum zu werden.
4. Weniger ist mehr: Der Fokus auf die Qualität
Zwischen der 3. und ca. 20. Lebenswoche nimmt der Welpe seine Umwelt besonders intensiv war. Erfahrungen prägen sich also ganz besonders gut ein, sodass in dieser Zeit ein wichtiger Meilenstein für die Entwicklung des Welpen gelegt wird. Die Qualität der gemachten Erfahrungen ist also von wesentlicher Bedeutung, sodass diese möglichst positiv gestaltet werden sollten. Dabei ist weniger oft mehr, denn eine Überforderung nutzt nicht nur nichts, sondern kann auch negative Verknüpfungen prägen und unerwünschtes Verhalten fördern. Dies gilt übrigens ein Hundeleben lang…
Um positive (und neutrale) Lernerfahrungen zu sammeln, ist nicht immer ein direkter Kontakt notwendig. Schaut euch fremde Dinge beispielsweise erstmal aus sicherer Entfernung an, sodass dein Welpe neugierig und interessiert bleibt.
Wichtig ist hier: höre auf die Signale und die Körpersprache deines Hundes. Plane Zeit und Ruhe ein, um möglichst viel Gestaltungsspielraum zu haben, insbesondere, wenn ihr neue Dinge erlebt und erkundet.
Gib deinem Welpen die Chance, die Welt in seinem eigenen Tempo zu erkunden und selbst zu wählen, welche Nähe er dafür braucht. Oft reicht es, Dingen und Wesen aus sicherer Distanz auf den Grund zu gehen. Denn sich in Anwesenheit fremder Menschen und Hunde entspannen zu können, bildet die Basis dafür, überhaupt in eine positive Interaktion miteinander zu treten.
Gleiches gilt für eine Welpen-Gruppe: Es sollten nicht so viele Hunde wie möglich sein, sondern lieber weniger, dafür aber diejenigen, die gut zueinander passen (Vgl. Gonsalez-Martinez et al, 2019).
5. Ruhe und Entspannung
Ruhe und Entspannung bilden die Basis, um neue Reize und Erfahrungen zu verarbeiten.
Denn oft unterschätzen wir, wie herausfordernd all die neuen Eindrücke für unseren Welpen sein können. Anders als erwachsene Hunde, können Welpen sich noch nicht selbst regulieren. Entspannung und Ruhe gehören zu den wesentlichsten Dingen, die ein Hund lernen darf.
Insbesondere bei den Arbeitsrassen entsteht oft die Annahme, Unruhe mit erhöhter Auslastung entgegenzuwirken. Dabei kommen Welpen oft genau dann nicht zur Ruhe, wenn sie zu viele Reize verarbeiten müssen und eigentliche mehr Ruhe bräuchten.
Kleine Ausflüge und Spaziergänge sollten in ihrer Dauer immer der Fülle und Intensität der entstehenden Reize angepasst werden, um eine Überforderung zu vermeiden. Achte auch hier auf die Körpersprache deines Hundes, um eventuelle Stresssymptome zu erkennen.
Halte Aufenthalte in sehr reizstarken Umgebungen kürzer, nimm dir genug Zeit für ausreichend Pausen und lege nach sehr aufregenden Tagen auch mal einen Erholungstag ein. Erholungstage, an denen dein Hund Stress abbauen kann, sind auch für erwachsene Tiere ein schöner Ausgleich.
Achte darauf, dass dein Hund auch im Haus einen Ruheplatz hat, an dem er ungestört ist. Insbesondere Kinder im Haushalt, sollten lernen, dass der Hund dort nicht gestört werden darf, sodass dein Hund lernt, dass er sich hier zurückziehen kann.
Tipp für den Züchter: Zwischen der dritten und fünften Lebenswoche sind Welpen auffallend angstfrei. Grund dafür ist die körperliche Entwicklung des Welpen, da in dieser Zeit ein Bereich des Nervensystems besonders aktiv ist, welcher für Entspannung zuständig ist. Reize, die in dieser Zeit kennengelernt werden, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zukünftig mit Entspannung verknüpft, sodass sich hier das erste Fundament für eine konditionierte Entspannung setzen lässt.
Fazit
Niemand hat behauptet, einen Welpen zu „erziehen“ sei leicht. Es erfordert Zeit, Kraft und das Opfern von Schlaf – aber es lohnt sich. Am Ende der Reise wartet ein treuer Freund auf dich. Bleibe motiviert, auch wenn nicht alles auf Anhieb funktioniert oder es Rückschläge gibt, denn auch das gehört dazu.
Sicher ist: Nicht alles muss perfekt sein, um am Ende der Reise einen großartigen Hund an seiner Seite zu haben. Flexibilität, Empathie und Lebendigkeit sollten zu eurem Grundrepertoire gehören. Es gibt aber viele Dinge, die man von Anfang an richtig machen kann, um die Weichen für euer gemeinsames Glück zu stellen.
Vor allem: Gebt euch Zeit. Ihr habt ein ganzes Hundeleben vor euch! Wenn du Unterstützung, Begleitung oder Austausch wünschst, nimm gerne Kontakt zu mir auf.
Ich freue mich auf dich und deinen Welpen!
Nadine
Literatur:
Ganslosser, U. & Krivy, P. (2020). Ein guter Start ins Hundeleben. Der verhaltensbiologische Ratgeber für Züchter und Welpenbesitzer (2. Aufl.). Stuttgart: Müller Rüschlikon.
Studien
Dinwoodie et al, 2021: An Investigation into the Impact of Pre-Adolescent Training on Canine Behavior
Gonsalez-Martinez et al, 2019: Association between puppy classes and adulthood behavior of the dog.